Man kann in Venedig einen Kaffee für 1,50 Euro trinken, im Stehen am Tresen, dann gilt er juristisch als Getränk zum Mitnehmen und wird von der Regierung steuerlich begünstigt, weil die Kaffeekultur in Italien heilig ist. Man kann sich aber auch setzen, an den Rand des Markusplatzes, und den teuersten Kaffee der Welt bestellen, jedenfalls den kostspieligsten, den wir uns jemals geleistet haben. 11,50 Euro kostet im „Caffè Florian“ der Cappuccino, mit Sahne sogar 15 Euro, und er schmeckt, wie ein italienischer Cappuccino eben schmeckt. Wir trinken ihn etwas ratlos, während wir uns fragen, ob das ein skandalöser Preis oder der gerechte Obolus für etwas Unbezahlbares ist: für Geschichte, geronnen zum Mythos.

Seit 303 Jahren gibt es das „Florian“, und seither begleitet das älteste Kaffeehaus Italiens die Serenissima durch alle Höhen und Tiefen. Es hat Glanz und Gloria gesehen, die Pest und die Cholera überlebt, es hat Byron und Balzac, Goethe und Casanova, Thomas Mann und Richard Wagner auf seinen roten Plüschsofas bewirtet und zelebriert heute seine Geschichte wie eine Diva, die sich für alterslos hält. Das blattgoldstrotzende Dekor zeigt mit patinösem Pathos allegorische Malereien und Porträts von Goldoni, Tizian und Palladio, die Confiserie kommt auf Silbertabletts in Etageren, die Kapelle spielt genauso galant die „Tarantella“ aus dem „Paten“ wie Wiener Schrammelmusik. Die Kellner tragen schwarze Fliege, weißes Jackett, goldene Epauletten, pflegen eine sehr italienische Mischung aus Charme, Schalk und Blasiertheit, und wenn sie allein zusammenstehen, scheinen sie sich über die Blödheit der Gäste zu amüsieren, die solche Irrsinnspreise zahlen, meist selig lächelnde Asiaten und Amerikaner.